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Die Stadtteile

Die 1977 mit der Stadt Herborn zusammengeschlossenen Landgemeinden gehörten von den Zeiten der Herborner Mark bis zur Auflösung des Amtes Herborn (1885) zu von Herborn aus regierten Landbezirken von unterschiedlicher Größe. Mit Ausnahme von Schönbach, das bereits im 13. Jahrhundert eine eigene Pfarrei hatte, gehörten sie auch bis in die Reformationszeit zur Pfarrei Herborn, aus deren großem Sprengel dann in verschiedenen Etappen neue, selbständige Pfarreien herausgelöst wurden, zuletzt noch 1961.

Es ist anzunehmen, dass die Dörfer schon früh ein kommunales Eigenleben hatten. Steinerne Zeugen davon sind die Wehr- und Kapellentürme in Hörbach, Schönbach und Seelbach, wobei in letzterem Ort die politische Gemeinde Eigentümer des Turms war. Um 1600 richteten alle Dörfer im Stadtgebiet Schulen ein. Seelbach baute z.B. dafür ein kombiniertes Rat- und Schulhaus mit Laube, ein öffentliches Gebäude, das auch einer Kleinstadt Ehre gemacht hätte. Das kleinere Hirschberg stellte dagegen einen Schulsaal auf seine mittelalterliche Kapelle und baute im 18. Jahrhundert ein Gemeindehaus, in dem Dorfschmiede und Schule kombiniert waren. In Burg ist das Schul- und Rathaus (heute in Privatbesitz), wie in Seelbach, noch in der Ortsmitte erhalten.

Die erste Kommunalreform verfügte Napoleon. 1808 wurde Burg mit Herborn zu einer "Municipalität", Seelbach kam mit anderen Dörfern zu Bicken, die übrigen Dörfer des heutigen Stadtgebietes wurden mit weiteren Gemeinden zur Mairie Hörbach.

1813 wurde der alte Zustand wieder hergestellt. Die Gemeinden haben im 19. und 20. Jahrhundert, wenn auch mit unterschiedlichem Schwung, ihren Beitrag zur Verbesserung des Schulwesens geleistet. Beachtlich sind hier vor allem der Schönbacher Schul- und Rathausbau von 1826 und eine reizvolle Leistung im kleineren Uckersdorf: das kombinierte Schul-, Rat- und Spritzenhaus aus der gleichen Epoche.

Neben den neuen Schulbauten prägten, je mehr das Jahrhundert fortschritt, Anlagen der modernen Technik das Bild der Dörfer. Die Einsicht in die Zusammenhänge von Gesundheit und Trinkwasserqualität führte allgemein zur Einrichtung öffentlicher Laufbrunnen mit ihren charakteristischen gußeisernen Brunnensäulen aus heimischen Gießereien. Hier waren freilich nicht immer die Gemeinden tätig. Die erste Wasserleitung Burgs wurde z.B. von einem Miteigentümer der dortigen Eisenhütte finanziert. Das Mäzenatentum der Hütteneigner begegnet übrigens auch noch sonst in der Geschichte dieses Ortes, der - neben der Kernstadt - am frühesten und am stärksten von der Industrialisierung geprägt wurde. Die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der heutigen Stadtteile entwickelten sich seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts deutlich auseinander.

Im strengen Sinne "bäuerlich" blieb hier kein Ort, was vor allem auch durch den frühen Untergang der Tracht - etwa im Gegensatz zum Raum Biedenkopf-Marburg - dokumentiert wird. Die Dörfer wurden entweder Industriestandorte oder, mit sehr wechselhafter Konjunktur, Bergbauorte und - in Richtung auf ergiebigere Reviere oder die neuen Industriestandorte im Dilltal - Arbeiterwohngemeinden mit bedeutendem "Auspendler"-Anteil.

Die überwiegend, wenn auch keineswegs überall, dürftige Landwirtschaft verlor an Bedeutung, wurde aber vor den 1960er Jahren keineswegs aufgegeben. Sie blieb nötig zur Ergänzung der oft geringen Arbeitseinkommen und als Absicherung bei Arbeitslosigkeit, da die meisten Industriebetriebe ein saisongeprägtes Geschäft hatten und sehr konjunkturanfällig waren. Die "Zwischenkriegszeit" war für die Dörfer insofern eine Epoche des Aufstiegs, als hier nun - gegenüber der Stadt nachholend - etliche technische Neuerungen flächendeckend eingeführt wurden. Schon Anfang der 20er Jahre wurde elektrifiziert, Ende des Jahrzehnts waren alle Orte an die Personenbeförderung der "Kraftpost" angeschlossen, bestanden weitestgehend kommunale Wasserleitungsnetze mit Hausanschlüssen. Sportplätze wurden überall gebaut, und auch Ehrenmäler für die Kriegstoten des Ersten Weltkriegs.

Als Lichtschimmer einer besseren Zukunft mußte in der beginnenden Weltwirtschaftskrise der Bau der Wasserkraftwerkskette Rehbachtal mit ihrer damals weltweit führenden Technologie (Fernsteuerung) erscheinen. Leider entwickelte sich die folgende Zeit anders: Nach dem Zweiten Weltkrieg mußten die Namenstafeln der Gefallenenehrenmäler enorm vermehrt werden.

Der in den 50er Jahren einsetzende Wirtschaftsaufschwung hat die Welt des Dill-Berglandes sehr verändert. Für den Siegeszug des Autos wurden, nicht selten reichlich unüberlegt und ohne Weitsicht, breite Durchfahrten in die historischen Ortskerne gebrochen, Bachläufe verrohrt, Straßenknoten geschaffen, welche die kleinteiligen Dimensionen der Landschaft sprengen. Die Ansiedlung von Gewerbebetrieben erfolgte z.T. in den engen Ortslagen. Unter den Stadtteilen blieb eigentlich nur Amdorf verschont; hier erfolgte eine gelungene Ortsumgehung. Das Auto hat aber auch die Menschen der Region von den Nachteilen einer sehr kleinteiligen, nur teilweise von der Eisenbahn erschlossenen Landschaft emanzipiert. Es ergaben sich dadurch neue Ansiedlungsflächen für Gewerbe und Wohnen.

Die Mehrheit der Stadtteile hat heute eigene Industrie oder wenigstens größere Gewerbebetriebe. "Landflucht" als Folge fehlender Arbeitsplätze ist bis jetzt nicht zu verzeichnen.

Besonders die beiden letzten Jahrzehnte vor der Eingemeindung haben eine rege kommunale Bautätigkeit in den Stadtteilen gesehen. Schulbauten, vor allem der neue Typ der "Mittelpunktschule", Bürger- und Dorfgemeinschaftshäuser entstanden. Die seit über 350 Jahren bestehenden Dorfschulen wurden aufgehoben.

Heute ist die Erhaltung des individuellen Profils der Stadtteile im Rahmen der neuen Stadt Herborn nicht nur durch das überall blühende Vereinsleben gesichert, sondern auch durch die unmittelbar nach der Gebietsreform gegründeten Ortsbeiräte, die einen regen Kontakt mit der Stadtverordnetenversammlung und dem Magistrat haben. Die kommunalen Aktivitäten seit der Gebietsreform haben insbesondere der Pflege und Erneuerung der historischen Ortskerne gedient.